Forschungsprojekt
Projektart: Gefördertes Projekt Wissenschaftliche Arbeit Modellprojekt
AUT*CIA - Chancengleichheit von schwerbehinderten Frauen mit HFA/AS im Arbeitsleben

Beschreibung / Inhalte

Im Artikel 6 der UN-BRK anerkennen die Vertragsstaaten, „dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser Hinsicht Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass sie alle Menschen Rechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können.“

Benachteiligung von Frauen mit Autismus:

Eine ganze Reihe internationaler Studien sowie etliche nationalen Hinweise machen darauf aufmerksam, dass schwerbehinderte Frauen und Mädchen mit hochfunktionalem Autismus (HFA) bzw. Aspergersyndrom (AS) gegenüber dem männlichen Geschlecht in der Arbeitswelt Benachteiligungen erfahren, die den beruflichen Einstieg erschweren, einen häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes mit sich bringen sowie den vollständigen den Rückzug aus dem Erwerbsleben begünstigen. Die bislang vorliegenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Erwartungshaltungen, mit denen Frauen mit Autismus im Erwerbsleben konfrontiert werden, zu spezifischen beruflichen Belastungen führen, die sich von den Herausforderungen und Belastungen der autistischen Männer unterscheiden.

Die Versagenserlebnisse bei der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und die damit verbundenen Selbstbezichtigungen und Schuldgefühle stehen vermutlich mit der verstärkten gesundheitlichen Belastung (Komorbiditäten) im Zusammenhang und münden in eine perforierte Berufsbiographie. Die Benachteiligung und die unzureichende Berücksichtigung der spezifischen Interessen und Belange von Frauen nehmen ihren Ausgang bereits bei der Diagnosestellung. So wurde über Jahrzehnte hinweg tradiert, dass das das weibliche Geschlecht nur marginal von Autismus betroffen ist. Fombonne (2011) errechnete auf der Basis einer Vielzahl von Studien eine Disparität zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht von 4,3m:1w, bei Betroffenen mit hochfunktionalem Autismus/ Aspergersyndrom galt eine Prävalenz von 8m:1w (Remschmidt & Kamp-Becker, 2007) wissenschaftlich als allgemein anerkannt.

Eine Vielzahl von internationalen Studien konnte jedoch den Nachweis erbringen, dass die Geschlechterdifferenz im Erwachsenenalter wesentlich geringer ausfällt, als bisher angenommen wurde (DGKJP 2016,25). Da deutlich mehr autistische Frauen im Vergleich zu den Männern erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden (Schuwerk, Kunerl et al., 2020, 10; Taylor, Dawalt et al., 2019; Attwood, 2007,61), wird vermutet, dass diskrete autismusspezifische Auffälligkeiten beim weiblichen Geschlecht im Kindesalter leichter übersehen werden und es häufiger zu Fehldiagnosen kommt (Dean, Harwood & Kasari, 2017; Moseley, Hitchiner et al. 2018; Dalferth 2021). Wurden hochfunktionale autistische Frauen in der Vergangenheit lediglich als kleine Teilgruppe der Gesamtpopulation betrachtet, nimmt man heute an, dass die tatsächliche Prävalenz lediglich 2,5m:1w beträgt (DGKJP, 2016, 25; Proft et al., 2017,22).

So überraschen auch jüngere Studien zur Lebens- und Beschäftigungssituation von autistischen Erwachsenen in Deutschland mit einer unerwartet hohen Beteiligung von Probanden mit weiblichem Geschlecht. Obwohl gerade bei Personen, die dem hochfunktionalen Autismus oder Aspergersyndrom zugerechnet werden, die unterschiedliche geschlechtsspezifische Betroffenheit am deutlichsten hervortreten müsste, beteiligten sich Männer und Frauen im Verhältnis von etwa 1,5m:1w bei Frank et al., (2018, 75), 1,6m:1w bei Lehnhardt, Gawronski et al., (2012), 2m:1w bei Riedel, Schröck et al. (2016), 1,7m:1w bei Schuwerk, Kunert et al. (2020, 6ff), 1m:1w bei Müller (2015,53). In der Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW, REHADAT, 2019 b) sowie bei Jost (2012,213) betrug das Geschlechterverhältnis 1m:1w. In der Stichprobe von Kirchner, Dziobek (2014) antworteten sogar mehr Frauen als Männer (1m:1,3w). An einer aktuellen online-Befragung von Schoofs et al. (2020) beteiligten sich gleichfalls mehr Frauen als Männer im Verhältnis 1m:1,5w. Leider liegen den genannten Studien keine geschlechtsspezifischen Auswertungen der Ergebnisse vor, die Aufschluss über die besonderen Belange von Frauen mit HFA/AS geben könnten.

Grundsätzlich bleibt festzustellen, dass zwischen zwei Gruppen von Frauen mit hochfunktionalem Autismus differenziert werden muss:
  • Frauen, die eine frühzeitige Diagnose im Kindes-und Jugendalter erhalten haben. Das sind überwiegend Frauen mit einer höheren Symptombelastung (Dworzynski et al., 2012; Kreiser & White, 2013; Schuck et al. 2019; Russel et al. 2010).
  • Frauen, die erst im Erwachsenenalter eine Diagnose erhalten haben. Nach gegenwärtigen Kenntnissen ist diese Gruppe im Verlauf der letzten Jahre erheblich angewachsen.
Die unerwartet hohe Beteiligung von Frauen an Umfragen kann auch als Hinweis verstanden werden, dass sie sich im Erwachsenenalter um ein Offenkundigmachen und um eine Klärung ihrer Lebenserschwernisse bemühen: Wenn von Autismus betroffene Mädchen und Frauen ihre Diagnose erst in der Adoleszenz bzw. im Erwachsenenalter erhalten (Mitchell, Nicholas, Qui, 2019), haben sie bereits vielfältige psychische Symptome entwickelt, psychiatrische Dienste konsultiert und häufig diverse anderslautende Primärdiagnosen erhalten. Dies lässt sich aus einer Vielzahl von autobiographischen Berichten betroffener Frauen entnehmen (Mandy, 2012; Simone, 2012; Steinhaus, 2013; Preißmann, 2013; Jensens, 2014; Cook ,2019; Lipinski, 2020) und findet seinen Niederschlag in einer perforierten Erwerbsbiographie und signifikant höheren komorbiden Belastungen (Taylor, DaWalt et al., 2019).

Für die geplante Untersuchung bedeutet dies:

Nicht nur die Bildungswege der früh diagnostizierten, sondern auch die Bildungswege der spätdiagnostizierten Frauen sowie die Hürden, die sich ergeben haben, müssen in der geplanten Untersuchung Berücksichtigung erfahren. Dabei gilt es, sowohl die Erwerbsbiographien von erfolgreichen sowie von gescheiterten Frauen mit HFA/AS zu erfassen. Dies bedeutet, dass neben den auszubildenden BBW und den Unternehmen, die Frauen mit HFA beschäftigen, eine Einbeziehung von BFW, BTZ, IFD, Therapie- und Beratungszentren für Autismus, Selbsthilfegruppen sowie den Studienberatungen der Hochschulen erforderlich wird.

Zur Beschäftigungssituation von Frauen und Männern mit Autismus:

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Unterzeichnung der UN-BRK Art.6 (2) zugestimmt, dass „alle geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung, der Förderung und Autonomie der Frauen (getroffen werden), um zu garantieren, dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten ausüben und genießen können“. Hierzu gehört nach Artikel 27 (1) UN BRK auch „das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“.
Aufgrund der bundesweiten Aktivitäten, insbesondere durch die erfolgreiche Qualifizierung und Berufsausbildung in Berufsbildungswerken, hat sich im Verlauf der letzten 20 Jahre die Ausbildungssituation von Menschen mit HFA/AS deutlich verbessert (Dalferth 2014,223 ff; Krug 2017). So werden gegenwärtig allein in 18 spezialisierten BBW N= 1519 jungen Menschen mit Autismus beruflich gefördert. Gleichfalls haben einschlägige therapeutische Maßnahmen und geeignete Maßnahmen im Rahmen der schulischen Förderung dazu geführt, dass höhere schulische Abschlüsse erzielt werden, die bessere Beschäftigungsoptionen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnen.

Die Beschäftigungsquote von Erwerbsfähigen mit hochfunktionalem Autismus liegt etwa bei 35 %, für alle Menschen aus dem autistischen Spektrum (einschließlich der Menschen mit einer zusätzlichen Intelligenzminderung) bei 5-12% (Dalferth 2017,36). Aufgrund von aktuellen Maßnahmen (Unternehmensoffensive AUT-1A, Entwicklung und Überprüfung von Qualitätsstandards in BBW, Vermittlung von spezifischem Wissen über Bedingungen zur beruflichen und sozialen Förderung in Betrieben, in sozialen Einrichtungen und Diensten etc.) ist mit einer Erhöhung der Beschäftigungsquote zu rechnen. Die Gründung spezialisierter Inklusionsfirmen bzw. -abteilungen im IT-Bereich für Erwerbsfähige mit hochfunktionalem Autismus konnte im Verlauf der letzten Jahre überwiegend bei auticon, SAP und Specialisterne Deutschland etwa 200 Arbeitsplätze für Beschäftigte mit HFA/AS schaffen.

Wenn auch die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit autistischer Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach wie vor noch nicht zufriedenstellend erscheint, bleibt festzuhalten, dass Deutschland dennoch im internationalen Vergleich zur Spitzengruppe gehört. So bewegen sich die Beschäftigungsquoten bei Berufstätigen mit mindestens 20 h/Woche in anderen westeuropäischen Ländern, Australien und den USA zwischen 6-25%.

Erkenntnisse zur Benachteiligung:

An dieser Entwicklung partizipieren jedoch Frauen mit Autismus nicht gleichberechtigt. Dies lässt sich sowohl aus internationalen Studien als auch aus den Erfahrungen von autistischen Frauen in Deutschland ableiten.

Folgende Erkenntnisse zur Benachteiligung von hochfunktionalen autistischen Frauen liegen vor:

  • Da viele autistische Frauen zur Maskierung von Symptomen neigen (Dean et al. 2017; Baron-Cohen, 2004, 214), was auch als „Camouflaging“ bezeichnet wird, führt dies dazu, dass viele unerkannt oder mit Fehldiagnosen versuchen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen. Sie klagen über hohe Stressbelastung und Anpassungsprobleme in der Arbeitswelt und haben vermutlich höhere Komorbiditäten (Taylor et al., 2019; Mitchell et al., 2019). Es gibt Hinweise, dass autistische Frauen häufiger ihren Arbeitsplatz wechseln, verlieren oder kündigen. Sie weisen somit eine kürzere Verweildauer am Arbeitsplatz auf (Hayward et al., 2017), berichten häufiger über Mobbingerfahrungen (Baldwin et al., 2015; Hofvander et al., 2009) und kehren dem Arbeitsleben häufiger aufgrund dieser negativen Erfahrungen den Rücken (Taylor et al., 2019). Des Weiteren erfahren sie am Arbeitsplatz weniger Toleranz als Männer (Wilkinson, 2017; Simone, 2016).
  • Obwohl es vielfältige Hinweise zur besonders belastenden Situation von Frauen mit Autismus im Arbeitsleben gibt, erfuhren sie in den vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen in Deutschland noch keine hinreichende Berücksichtigung. So verzichten die meisten Untersuchungen auf eine geschlechterspezifische Differenzierung (IW, REHADAT, 2019a, 5; Frank et al., 2018; Kirchner & Dziobek, 2014; Lenhardt et al., 2011).
  • Aus den wenigen bereits vorliegenden nationalen Studien geht indes hervor, dass Frauen mit hochfunktionalem Autismus vermutlich über höhere Schul- und Ausbildungsabschlüsse (IW, REHADAT, 2019,b; Schoofs et al., 2020) als Männer mit ASS verfügen, und ein großer Teil der Frauen erst im Erwachsenenalter eine Diagnose erhält (Schuhwerk et al., 2020; IW, REHADAT, 2019b; Jost, 2012), häufig erst dann, wenn Sie aufgrund von Problemen im Arbeitsleben, in der Partnerschaft oder in sozialen Beziehungen eine psychiatrische Beratung in Anspruch nehmen (Proft et al., 2017, 29; Jost, 2012; Lehnhardt et al., 2011; Gawronski et al., 2011).
  • Einzelne Studien über autistische Frauen in Deutschland mit geschlechterspezifischen Differenzierung zur beruflichen Entwicklung machen geltend, dass Frauen mehr Schwierigkeiten im Prozess der beruflichen Anpassung haben als Männer mit ASS (Jost, 2012, 188).
  • Differenziertere Angaben über erhebliche Lebenserschwernisse, psychische Problemstellungen und Anpassungsproblemen in der Arbeitswelt finden sich jedoch überwiegend in anekdotischen Berichten betroffener Frauen im Internet/Blogs oder in der autobiographischen Literatur (Steinhaus, 2013; Preißmann, 2013; Jensens, 2014; Wanninger-Bachem, 2016; Lipinski, 2020), die nicht zuletzt mit der verspäteten Diagnosestellung im Zusammenhang gesehen werden.

Erkenntnisse aus dem Modellprojekt AUT-1A:

Im Rahmen des AUT-1A Projekts wurde bereits besonderes Augenmerk auf eine geschlechterspezifische Betrachtung gelegt. Ausgangspunkt bildete allerdings die Befragung von Unternehmen, mit denen die 3 beteiligten Berufsbildungswerken in Kontakt stehen. Mädchen und jungen Frauen sind jedoch im Ausbildungsbereich der BBW aus den bereits genannten Gründen deutlich unterrepräsentiert (4,5m:1w). Die Rückmeldungen über die Beschäftigung von und Erfahrungen mit autistischen Frauen in Unternehmen können damit nicht als hinreichend betrachtet werden. Es bedarf daher einer Erhebung der Lebenslage in den verschiedenen betreuenden Institutionen (BFW, BTZ, Beratungseinrichtungen, Soziale Dienste, Selbsthilfeorganisationen etc.).

Allerdings konnten einzelne bereits vorliegende internationale Erkenntnisse in der Studie AUT-1A Bestätigung finden:

  • In außerbetrieblichen Einrichtungen sind Frauen mit Autismus deutlich unterrepräsentiert. Die Quote der autistischen Frauen, die in den Jahren 2017-2019 in den drei am Projekt-beteiligten BBW eine Ausbildung absolvierten, betrug lediglich 10%.
  • In außerbetrieblichen Qualifizierungseinrichtungen befinden sich vornehmlich Frauen mit erheblicher Symptombelastung. Über die berufliche Entwicklung autistischer Frauen, die erst im Erwachsenenalter eine Diagnose erhalten, gibt es kaum wissenschaftlich belastbare Erkenntnisse.
  • Autistische Frauen wechseln häufiger ihren Arbeitsplatz. Bei der Erfassung der Kündigungsgründe fiel auf, dass von über der Hälfte (58%) der befragten Unternehmen, die autistische Frauen beschäftigten, „Kündigungen durch den Mitarbeiter“ angekreuzt wurde (Die Gesamtbeteiligung von Unternehmen mit autistischen Frauen an der Befragung betrug allerdings weniger als ein Viertel.).
  • Frauen haben größere Schwierigkeiten als autistische Männer, sich den Anforderungen im Beruf anzupassen, oder sie benötigen mehr Unterstützung aus Sicht der Arbeitgeber. Die Untersuchung Aut-1A ergab deutliche Unterschiede bezüglich der Maßnahmen zur Arbeitsplatzanpassung („Anpassung der Arbeitsaufgabe“ (weiblich 82%); „Anpassung der Arbeitszeit“ (weiblich 50%), „keine Anpassung notwendig“ (weiblich 5,9%).
  • Autistinnen haben aus Sicht der Unternehmen mehr Schwierigkeiten als autistische Männer, den sozialen Konventionen im Betrieb zu entsprechen; Autistinnen fordern Betriebe mehr heraus. So erkannten lediglich 12,5% der Unternehmen, die Autistinnen beschäftigen/beschäftigten die „Positiven Auswirkungen auf das Team“. 36% der Unternehmen mit weiblichen Autistinnen sahen gaben jedoch als Herausforderung die „besonderen Eigenschaften“ der Autistin an.

Fazit:

Der vorliegende Projektantrag zielt auf die Erforschung der spezifischen Belastungen und Lebensumstände von jungen schwerbehinderten Mädchen und Frauen mit HFA/AS im Rahmen der beruflichen Qualifizierung und Platzierung, die eine gleichberechtigte und nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben verhindern.
Die bisherigen internationalen Erkenntnisse geben Grund zu der Annahme, dass Unterschiede in der beruflichen Entwicklung zwischen autistischen Frauen und Männern bestehen. Dies bedeutet, dass Frauen häufiger Diskriminierung erfahren, erhöhtem psychosozialem Stress ausgesetzt sind, im Beruf stärker belastet und gesundheitlich gefährdet sind, häufiger den Arbeitsplatz verlieren oder dem Arbeitsleben den Rücken kehren.
Es fehlen Erkenntnisse, worauf sich die besonderen Belastungen zurückführen lassen, und es fehlen Erkenntnisse, welche Hilfestellung Frauen benötigen, um im Arbeitsleben nachhaltig beschäftigt zu bleiben und in ihrer persönlichen Entwicklung Stabilisierung zu finden.
Daher soll eine Erhebung und Prüfung der bislang verfügbaren Unterstützungsmaßnahmen erfolgen und gegebenenfalls eine Ergänzung finden durch die Entwicklung oder Modifikation von angepassten, ausbildungs- und berufsbegleitenden Unterstützungsmaßnahmen, die zur persönlichen und beruflichen Stabilisierung von Frauen mit HFA/AS und zur Geschlechteregalität beitragen.

Das vorrangige Ziel des Projektes besteht darin, Rahmenbedingungen zu erkunden und geeignete Maßnahmen für und mit betroffenen Frauen und den autismusbegleitenden sozialen Einrichtungen und Diensten zu entwickeln, die schwerbehinderten Frauen mit HFA/AS zu Chancengleichheit (und Geschlechteregalität) verhelfen und eine inklusive, selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.
Im Einzelnen geht es darum, die Hinweise für eine Benachteiligung bei der beruflichen Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben von autistischen Frauen zu prüfen, Hintergründe für die Benachteiligung von Frauen und die Fokussierung auf Autisten männlichen Geschlechts und zu eruieren, die besonderen Herausforderungen für autistische Frauen in Ausbildung, Betrieb und Gesellschaft zu erfassen, geeignete Rahmenbedingungen zu erkunden und Maßnahmen zu prüfen, gegebenenfalls zu entwickeln, die eine gleichberechtigte inklusive berufliche Teilhabe ermöglichen und Voraussetzung für eine Verminderung der Lebenserschwernisse sowie der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schaffen.

Mit dem aktuellen Projekt wird unter Bezugnahme auf § 41 SchwbAV, insbesondere auf Abs.2 (Programme für schwerbehinderte Frauen), Abs. 4 (Förderung der Ausbildung und Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben) daher beabsichtigt, Erkenntnisse über die besonderen Herausforderungen im Arbeitsleben für schwerbehinderte Frauen und Mädchen mit Autismus und geschlechtsspezifische Benachteiligungen zu gewinnen, deren Ursachen und Hintergründe zu eruieren, neue und effiziente Maßnahmen für und mit den projektbeteiligten Einrichtungen und Diensten zu entwickeln, um eine gleichberechtigte berufliche Tätigkeit/ Teilhabe zu ermöglichen und diese exemplarisch zu evaluieren.

Folgende Fragestellungen lassen sich für das Projekt AUT*CIA daraus ableiten:

  • Welche Ausbildungswege erfolgten nach dem Schulabschluss?
  • Wann erfolgte die Diagnosestellung Autismus?
  • Beeinflusste die Diagnose bzw. der Zeitpunkt der Diagnose die berufliche Laufbahn?
  • Beeinflusst der Ausbildungsweg und -abschluss die berufliche Teilhabe?
  • Hatte die Diagnose Einfluss auf das persönliche Lebensmodell?
  • Wie verhält sich das persönliche Lebensmodell zur beruflichen Teilhabe?
  • Welche beruflichen Unterstützungsleistungen wurden in Anspruch genommen?
  • Welche genderspezifischen Barrieren behinderten die erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsleben?
  • Welche Faktoren und genderspezifischen Maßnahmen trugen zur nachhaltigen Beschäftigung bei?

Geplante Arbeiten:

  • Quantitative Forschung:
Halbstrukturierter Fragebogen – Stichprobe: weibliche schwerbehinderte Autistinnen zur Rekonstruktion der Berufsbiographien, insbesondere Zeitpunkt der Diagnose, Schul- und Ausbildungsabschlüsse, berufliche Laufbahn. Die Studie wird so angelegt, dass eine Differenzierung in unterschiedliche Gruppen bspw. ‚Frühdiagnostiziert‘, ‚Spätdiagnostiziert‘ usw. möglich ist. Des Weiteren ist ein Vergleich mit Kontrollgruppen angedacht.
  • Qualitative Forschung:
Strukturierte Experteninterviews zur Rekonstruktion von Berufsbiographien weiblicher Autistinnen mit IFD, Arbeitsagentur, BBW, BFZ, BTZ, Hochschulen.
Leitfadengestützte qualitative Interviews mit weiblichen schwerbehinderten Autistinnen zur Erforschung der genderspezifischen Teilhabebarrieren, insbesondere in Bezug auf die Diagnosestellung, die Ausbildung und Vermittlung, die Rahmenbedingungen der beruflichen Teilhabe sowie die spezifischen Belastungen und Benachteiligungen, aber auch die beschäftigungsfördernden Faktoren und die Chancen der Digitalisierung.
  • Maßnahmenentwicklung/Produkte:
Genderspezifische Weiterentwicklung von beruflichen Unterstützungsmaßnahmen bspw. Soziales Kompetenztraining.
Weiterentwicklung von Beratungsansätzen und Unterstützungsmaßnahmen insbesondere in Bezug auf frauenspezifische Themenstellung, bspw. Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Weiterentwicklung von bestehenden Fortbildungsmaßnahmen und Implementation von genderspezifischen Themenstellungen.
Entwicklung von Handreichungen zur Sensibilisierung für die Belastungssituationen von betroffenen Frauen für Betriebe, Unternehmen, für soziale, rehabilitative Einrichtungen und Dienste (BFW, BTZ, Beratungsstellen, Fortbildungsmaßahmen etc.).
Erweiterung der bestehenden Standards im Gütesiegels „Autismusgerechtes Berufsbildungswerk“ um genderspezifische Kriterien.
Etablierung von Standards zur gendersensiblen autismusgerechten Beratung, Aus- und Weiterbildung in den beteiligten BFW, BTZ, Hochschulen.

Zielgruppen des Projekts:

Zielgruppe 1:
Schwerbehinderte Mädchen und Frauen mit hochfunktionalem Autismus mit Schwerbehindertenstatus oder Gleichstellung mit Differenzierung nach Zeitpunkt der Diagnose.
Zielgruppe 2:
Einrichtungen und Dienste der medizinischen und beruflichen Rehabilitation (BBW, BFW, BTZ, RPK).
Zielgruppe 3:
Beratungs- und Therapieeinrichtungen (Studienberatungsstellen an Hochschulen und Universitäten, Beratungs- und Therapiezentren für Autismus (NANO, Autismuskompetenzzentren), Integrationsfachdienste).
Zielgruppe 4:
Kostenträger der medizinischen und beruflichen Rehabilitation (Arbeitsagentur, Rentenversicherungsträger, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften…).
Zielgruppe 5:
Organisationen der Autismusvertretung und -selbstvertretung (BV autismus Deutschland e.V., Selbsthilfeorganisationen…).
Zielgruppe 6:
Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die Autistinnen beschäftigen, beschäftigt haben oder zu beschäftigen beabsichtigen, Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sowie das Unternehmernetzwerk Autismus.

Projektbeschreibung von Projektverantwortlichen übernommen.

Projektdaten

Beginn:

01.04.2022


Abschluss:

31.12.2024


Fördernummer:

AGF.00.00006.21

Kostenträger:

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Mitteln aus dem Ausgleichsfonds

ICF-Bezug des Projekts:

  • Die ICF ist kein ausdrücklicher Forschungsgegenstand, wird aber im Vorhaben genutzt, z.B. durch den Einsatz ICF-basierter Instrumente / Skalen zur Beschreibung von Untersuchungsvariablen, Verlaufsdokumentation, Ergebnismessung etc.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt

Projektleitung:

  • Ederer, Tanja |
  • Krohn, Hannah

Mitarbeitende:

  • Mehl, Martina |
  • Tolkien, Jan |
  • Brandstetter, Eva |
  • Dalferth, Matthias, Prof. em. Dr. phil.

Institutionen:

B.B.W. St. Franziskus Abensberg
Regensburger Straße 60
93326 Abensberg
Telefon: 09443709-0 E-Mail: info@bbw-abensberg.de
Homepage: https://www.bbw-abensberg.de

Projektleitung: Dr. Katrin Reich (bis 28.02.2023) bzw. Hannah Kaseder (ab 01.03.2022), Tanja Ederer (geteilte Stelle)

Projektpartner:

Integrationsfachdienst (IFD) gemeinnützige GmbH Nürnberg
Homepage: https://www.ifd-mittelfranken.de/de

BFW Berufsförderungswerk Hamburg gGmbH
Homepage: https://www.bfw-hamburg.de

Prof. em. Dr. phil. Matthias Dalferth (wissenschaftl. Projektbegleitung)
Homepage: https://www.oth-regensburg.de

AUT*CIA - Equal opportunities for severely disabled women with HFA/AS in working life

Various international and national studies draw attention to the fact that severely disabled women and girls with high-functioning autism (HFA) or with Asperger's syndrome (AS) experience disadvantages in the world of work compared to the male gender, which make it difficult to enter the world of work and lead to specific burdens. However, there is a lack of knowledge about the reasons for these specific burdens and what kind of support women need in order to remain sustainably employed in their working lives and to find stabilization in their personal development.

The B.B.W. St. Franziskus in Abensberg, together with the Integrationsfachdienst (IFD) Nuremberg and the BFW Berufsförderungswerk in Hamburg, would like to focus more on this target group. For this reason, the practical research project AUT*CIA was initiated. In a first step, the problem situations and support needs of women with HFA/AS will be elicited using a mixed-method approach. The results will then be used to derive measures and modify support services.

More at: www.autismusundarbeit.de/autcia

Referenznummer:

R/FO126087


Informationsstand: 21.02.2023