INNOKLUSIO – Ein Modellversuch zur Bewusstseinsbildung in Unternehmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen mit begleitendem Bildungsprogramm

Unsere Fragen wurden im Dezember 2024 von Filip Bertzbach und Simon Horndasch (beide Dialogue Social Enterpris GmbH) beantwortet.


Welche Ziele haben Sie sich im Projekt INNOKLUSIO gesetzt?

Das Hauptziel des Projekts INNOKLUSIO war es, die Bereitschaft von Unternehmen zu steigern, Menschen mit Behinderungen auszubilden und zu beschäftigen. Dafür kombinierten wir Sensibilisierungs- und Kompetenzbildungsmaßnahmen mit organisatorischen Veränderungen. Zwischen Oktober 2021 und September 2024 arbeiteten wir mit 13 Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Größen zusammen, darunter Generali, DW, Boehringer Ingelheim, die GLS Bank, Bayer und Beiersdorf. Ergänzend entwickelten wir im Projekt folgende drei Ansätze, um Unternehmen zu zeigen, wie sie ihre Arbeitsplätze inklusiver gestalten können:

  • Eine mobile Ausstellung, innerhalb der Beschäftigte ein tieferes Verständnis für die Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen sowie die eigene Voreingenommenheit gegenüber dieser Personengruppe entwickeln sollten.
  • Führungskräfteseminare, die Führungskräften den Mehrwert von Inklusion verdeutlichten und diese motivieren sollten, Maßnahmen zur Förderung von Inklusion in ihrem Unternehmen umzusetzen.
  • Ein Bildungsprogramm, in dem wir Inklusionsmanagerinnen und Inklusionsmanager berufsbegleitend in Methoden zur Förderung einer Inklusion innerhalb der eigenen Unternehmen schulten.

 

Gibt es Themen und Schwerpunkte, die sich für Sie im Projekt als besonders wichtig herausgestellt haben, wenn es um die Verfolgung dieser Ziele geht? Falls ja: Welche?

Ja, ein zentrales Anliegen war, das Bewusstsein für die Vorteile inklusiver Arbeitsplätze zu stärken. Viele Führungskräfte und Mitarbeitende unterschätzten, wie positiv Inklusion das Arbeitsklima, die Produktivität und das Wohlbefinden beeinflusst. Praktische Methoden wie direkte Begegnungen und emotionale Erfahrungen stellten sich für uns im Projekt als weitaus wirkungsvoller heraus als ein rein theoretischer Ansatz.

Ein weiterer Schwerpunkt lag darauf, die individuellen Herausforderungen der Unternehmen zu verstehen. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Voraussetzungen, die durch Kennzahlen, Erfahrungsaustausch und Führungskräftetrainings adressiert wurden. Diese Instrumente fördern den organisatorischen Wandel, machen Fortschritte sichtbar und geben Orientierung für konkrete nächste Schritte. Besonders wichtig war das Commitment der Unternehmensleitung, um nachhaltige Effekte zu erzielen und Bewusstseinsbildung in dauerhafte Veränderung zu übersetzen.

 

Was sind für Sie zentrale Herausforderungen, mit denen Sie innerhalb der Projektlaufzeit konfrontiert wurden?

Folgende zwei Herausforderungen haben sich für uns im Projekt als sehr wesentlich herausgestellt:

  1. Tabuthema Behinderung: Das Thema „Behinderung“ ist für uns alle kein einfaches Thema. Es erzeugt oft Ängste und unbewusste Vorurteile, welche bei anderen Dimensionen der Diversität oft nicht weniger stark ausgeprägt sind. So haben bspw. Geschlechtergerechtigkeit, Herkunft und sexuelle Orientierung gesellschaftlich oft schon eine andere Wahrnehmung und Sichtbarkeit als dies beim Thema Behinderung der Fall ist. Dazu kommt, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben, in der wir denken, keine Zeit für Einschränkungen zu haben. Dies ist in Unternehmen oft noch stärker ausgeprägt.
  2. Kultureller Wandel: Die zweite große Herausforderung bestand darin, aus individueller Bewusstseins- und Kompetenzveränderung einen nachhaltigen organisatorischen Kulturwandel anzustoßen. Inklusion gehört nicht zu den traditionellen Kernaufgaben von Unternehmen. Es geht also darum, die Wichtigkeit von Inklusion sichtbar zu machen, nachhaltig Budgets und Ressourcen für deren Förderung zu sichern und Orientierung für die nächsten organisatorischen Schritte zu geben. 

 

Mit welchen Lösungsansätzen sind Sie diesen Herausforderungen gegenübergetreten?

Wir sind den oben genannten Herausforderungen mit folgenden, auf bewährten Ansätzen basierenden Methoden gegenübergetreten:

  • Interaktive Formate, bestehend aus unseren Ausstellungskonzepten und Bildungsprogrammen, mit denen wir den Bewusstseinswandel und Kompetenzaufbau förderten.
  • Netzwerkbildung und Erfahrungsaustausch in Form eines Dialogs zwischen Unternehmen und Experten förderten wir durch Veranstaltungen und die Sichtbarmachung von Best Practices.
  • Ein Kennzahlensystem, in dem Unternehmen durch messbare Daten ihre Fortschritte sichtbar machen und Prozesse steuern konnten.
  • Eine Einbindung externer Expertise in Form von externen Referenten, die wertvolles Wissen und Kontakte in das Projekt trugen.

 

Ausgehend von Ihren im Projekt gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen: Mit welchen Maßnahmen kann die Inklusionskompetenz von Arbeitgebenden gestärkt werden? Welche Handlungsempfehlungen würden Sie ausgehend von den Projektergebnissen in diesem Zusammenhang aussprechen?

Praxisnahe Schulungen und emotional erlebbare Formate halten wir für besonders wichtig, um Berührungsängste abzubauen und Inklusion greifbar zu machen. Die Vernetzung mit lokalen Akteurren wie Ausbildungseinrichtungen und Förderstellen, kann zudem eine wertvolle Unterstützung bieten. Außerdem begreifen wir ein Definieren klarer Verantwortlichkeiten und Führung als unerlässlich, um Inklusion erfolgreich umzusetzen.

 

Welche Lessons Learned, die Sie innerhalb der Projektlaufzeit gewinnen konnten, würden Sie als besonders wichtig bezeichnen?

Eine wichtige Erkenntnis war, dass Inklusion von der Führungsebene ausgehen muss, um wirklich im gesamten Unternehmen gelebt zu werden. Es reicht nicht, nur Regeln aufzustellen – die Unternehmenskultur muss sich ändern, damit Inklusion dauerhaft funktioniert. Außerdem haben wir gelernt, dass der Austausch und die Zusammenarbeit mit externen Netzwerken und Experten entscheidend sind, um Unternehmen bei der Umsetzung von Inklusionsmaßnahmen zu unterstützen.

 

Wenn Sie auf die Zielsetzung des Projekts sowie dessen Verlauf zurückblicken: Wo sehen Sie nach Abschluss von INNOKLUSIO weiteren Forschungsbedarf und welche Fragestellungen würden Sie in diesem Kontext benennen?

Im Projekt haben wir einen nationalen Ansatz verfolgt und Unternehmen sowie relevante Akteure zur Förderung von Inklusion deutschlandweit berücksichtigt.

Künftig sehen wir es als entscheidend an, auch die lokale Ebene im Rahmen einer Förderung von Inklusion stärker in den Fokus zu nehmen und den Projektradius zu verkleinern. Dabei stellt sich eine zentrale Frage: „Welche lokalen Netzwerke und Akteure – wie lokale Inklusionsnetzwerke, Handelskammern, Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgebende, Integrationsämter oder Unternehmensverbände – sind für die Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen relevant, und wie können sie von unseren Ansätzen profitieren?“

Ziele des Projekts

Das Projekt INNOKLUSIO hatte das Ziel, Unternehmen dazu zu motivieren, mehr Menschen mit Behinderungen auszubilden und zu beschäftigen.

Um dies zu erreichen, wurden Sensibilisierungsmaßnahmen, Schulungen und strukturelle Veränderungen miteinander kombiniert.

Besonders wichtige Themen

Im Projekt wurde deutlich, dass viele Unternehmen die positiven Effekte inklusiver Arbeitsplätze – etwa auf das Betriebsklima, die Motivation und die Produktivität – unterschätzen.

Es zeigte sich, dass persönliche Erfahrungen und emotionale Erlebnisse bei der Vermittlung des Themas weit wirkungsvoller sind als theoretische Ansätze. Besonders bedeutsam war das Engagement der Unternehmensleitungen, um Inklusion langfristig zu verankern.

Herausforderungen im Projekt

Zwei zentrale Herausforderungen zeigten sich im Projektverlauf:

Erstens war das Thema Behinderung oft mit Unsicherheiten, Vorurteilen oder Berührungsängsten behaftet – stärker als andere Diversitätsdimensionen wie Geschlecht oder Herkunft.

Zweitens war es schwierig, über einzelne Maßnahmen hinaus einen echten kulturellen Wandel im Unternehmen zu bewirken. Inklusion wird oft nicht als Kernthema gesehen, weshalb es an festen Zuständigkeiten, Zeit und Ressourcen fehlt.

Lösungsansätze gegenüber diesen Herausforderungen

Zur Bewältigung dieser Herausforderungen setzte das Projekt auf bewährte und praxisnahe Formate: interaktive Ausstellungen, Weiterbildung, Netzwerkveranstaltungen und den Austausch mit Expertinnen und Experten.

Außerdem wurde externe Expertise eingebunden, um Fachwissen und neue Impulse in die Unternehmen zu tragen.

Besonders wichtige Erkenntnisse

Eine zentrale Erkenntnis war: Inklusion muss von der Unternehmensführung aktiv unterstützt und vorgelebt werden.

Außerdem wurde deutlich, wie wichtig der Austausch mit externen Netzwerken und Fachstellen ist, um Inklusionsprozesse wirksam und dauerhaft umzusetzen.

Handlungsempfehlungen aus dem Projekt

Das Projekt empfiehlt, praxisnahe und emotional erlebbare Schulungsformate einzusetzen, um Ängste abzubauen und Inklusion greifbar zu machen und mit lokalen Akteuren zusammenzuarbeiten.

Wichtig ist außerdem, dass es in jedem Unternehmen klare Verantwortlichkeiten für Inklusion gibt, insbesondere auf Führungsebene.

Weiterer Forschungsbedarf

Während INNOKLUSIO deutschlandweit ausgerichtet war, sollte künftig die lokale Ebene stärker berücksichtigt werden.

Die zentrale Frage lautet: Welche lokalen Netzwerke und Institutionen – z. B. Inklusionsämter, Kammern oder Unternehmensverbände – können zur Förderung von Inklusion beitragen? Und wie können sie gezielt in solche Projekte eingebunden werden?


Womit wurde sich im Projekt INNOKLUSIO beschäftigt?