SEMpsych Die Gesundheits- und Arbeitspiloten: Systemisches Eingliederungsmanagement bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen
Unsere Fragen wurden im Dezember 2025 von Ina Pamperin (Deutsche Rentenversicherung Bund) beantwortet.
Welche Ziele haben Sie sich im Projekt SEMpsych gesetzt?
Mit Blaufeuer, (SEMpsych), wollten wir ein institutionsunabhängiges, überbetriebliches und niederschwelliges Beratungsangebot konzipieren. Diese Charakteristiken des Angebots sollten gleichzeitig sicherstellen, dass Erwerbstätige mit selbstberichteten psychischen Belastungen und damit assoziierter Arbeitsplatzproblematik möglichst frühzeitig erreicht werden können.
Damit sollten die berufliche Wiedereingliederung bzw. der Erhalt des Arbeitsplatzes von Menschen mit psychischen Belastungen/Erkrankungen gefördert, eine Chronifizierung der Arbeitsplatzproblematik verhindert und mittelfristig Erwerbsminderungsrenten vermieden werden. Mit entsprechenden Teilhabeleistungen und Hilfsangeboten wollten wir außerdem einen Impuls dazu setzen, der es den Betroffenen ermöglicht, sich selbst aktiv mit der eigenen beruflichen Situation auseinandersetzen.
Gibt es Themen und Schwerpunkte, die sich für Sie im Projekt als besonders wichtig herausgestellt haben, wenn es um die Verfolgung dieser Ziele geht? Falls ja: Welche?
Sehr wichtig für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts war bzw. ist die kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, um das Angebot zu bewerben und am Leben zu halten. Es hat sich herausgestellt, dass die Möglichkeit, die Beratung und Begleitung durch die Fallmanager bis zu zwölf Monate in Anspruch nehmen zu können, für die Teilnehmenden sehr wichtig war. Der Aufbau eines umfangreichen Netzwerkes psychosozialer und weiterer Hilfsangebote in jeder Region war ebenfalls ein Erfolgsfaktor im Projekt, um den Teilnehmenden individuelle, passgenaue Hilfen zukommen zu lassen. Die Unabhängigkeit des Angebots (speziell vom Betrieb sowie von Institutionen) hat das Vertrauen der Betroffenen gestärkt und die Glaubwürdigkeit des Angebots erhöht.
Was sind für Sie zentrale Herausforderungen, mit denen Sie innerhalb der Projektlaufzeit konfrontiert wurden?
Es war bzw. ist eine Herausforderung, Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu erreichen. Auch der Zugang zu bzw. über Hausärztinnen und Hausärzte stellte sich in Blaufeuer als sehr mühsam heraus.
Mit welchen Lösungsansätzen sind Sie diesen Herausforderungen gegenübergetreten?
Im Projekt haben wir versucht, alternative Lösungswege für ein Gewinnen bzw. Erreichen von möglichen Projektpartnern zu erproben. Solche Wege bestanden beispielsweise in der Inanspruchnahme von Netzwerken wie der IHK/HWK und Ärztekammern. Kontinuierlich und hartnäckig nachzuhaken, stellte sich ergänzend als sehr wesentlich heraus, wenn es darum ging, mögliche Partner zu gewinnen.
Ausgehend von Ihren im Projekt gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen: Mit welchen Maßnahmen können Arbeitssuchende mit komplexen psychischen Erkrankungen innerhalb ihrer beruflichen Rehabilitation und Teilhabe unterstützt werden?
Passgenaue, individuelle Hilfsangebote, die niedrigschwellig, unabhängig und zentral durch ein Fallmanagement auf Augenhöhe mit den Betroffenen koordiniert werden, sind hilfreich. Eine Beratung und Begleitung, die den gesamten Prozess der Wiedereingliederung professionell unterstützen, haben sich ebenfalls als sehr hilfreich herausgestellt.
Welche Erkenntnisse, die Sie innerhalb der Projektlaufzeit gewinnen konnten, würden Sie als besonders wichtig bezeichnen?
Im Projekt stellte sich heraus, dass es Zeit und vor allem kontinuierliche Bewerbung braucht, um ein neues Angebot zu etablieren, als „Marke“ bekannt zu werden und es auch zu bleiben. Weitere Herausforderungen bestanden darin, KMU und Hausärztinnen und Hausärzte zu erreichen sowie flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen mir passenden Maßnahmen bzw. alternativen Lösungswegen reagieren zu können. Zu solchen veränderten Rahmenbedingungen zählte für uns beispielsweise der Corona-Lockdown, dem wir mit einem Angebot an Videoberatungen gegenübertraten.
Wenn Sie auf die Zielsetzung des Projekts sowie dessen Verlauf zurückblicken: Wo sehen Sie nach Abschluss von SEMpsych weiteren Forschungs- und Handlungsbedarf und welche Fragestellungen würden Sie in diesem Kontext benennen?
Die bisherigen Evaluationsergebnisse lassen darauf schließen, dass mit dem Angebot Blaufeuer zwar die anvisierte Zielgruppe erreicht wird, diese jedoch in Bezug auf den Bildungsstand und die ausgeübten beruflichen Tätigkeiten nicht das gesamte Bildungs- bzw. Berufsspektrum abdeckt. Hier stellt sich die Frage, wie das Angebot beworben bzw. angepasst werden muss, um diese Personengruppen anzusprechen und zu erreichen.
Die Digitalisierung des Angebots war im Projektplan zwar ursprünglich nicht angedacht, wurde aber während des Corona-Lockdowns zu einer Notwendigkeit, um die Beratung weiterhin, und zwar als Videoberatung, aufrecht erhalten zu können. Es stellte sich heraus, dass das Online-Angebot auch nach Corona von einem Teil der Betroffenen präferiert wird. Mit Blick auf diesen sich im Projektverlauf als sehr relevant herausgestellten Aspekt der Digitalisierung, halten wir es für sinnvoll, ein Digitalisierungskonzept zu erarbeiten. Ein solches Konzept halten wir insbesondere dann für sehr wichtig, wenn es um einen Roll-Out des Projektes auf bspw. ländliche Regionen und eine bessere Erreichbarkeit der Zielgruppen unter Nutzung der Potenziale der Digitalisierung geht.
Ziele des Projekts
In SEMpsych sollte dafür gesorgt werden, dass Menschen mit seelischen Problemen früh Hilfe bekommen, das heißt bevor ihre Arbeitssituation schlimmer wird. So sollte verhindert werden, dass sie langfristig nicht mehr arbeiten können. Dafür wurde im Projekt eine unabhängige und leicht erreichbare Beratung konzipiert.
Besonders wichtige Themen
Wichtig war es, dass viele Menschen vom Angebot erfahren – durch Werbung und Information. Auch war sehr hilfreich, dass sie bis zu einem Jahr von einer festen Ansprechperson begleitet werden können. Die Beratung war nicht an Betriebe oder Ämter gebunden – das hat Vertrauen geschaffen.
Herausforderungen im Projekt
Es war schwer, kleine Firmen und Hausärzte zu erreichen. Diese Gruppen sind aber wichtig, um die Menschen frühzeitig auf das Angebot aufmerksam zu machen.
Lösungsansätze gegenüber diesen Herausforderungen
Das Projekt hat andere Wege ausprobiert: Zum Beispiel wurde über die Handwerkskammern, Ärztekammern oder Industrie- und Handelskammern über SEMpsych informiert. Auch ständiges Nachfragen bei potenziellen Kooperationspartnerinnen und -partnern hat geholfen, neue Partner zu finden.
Besonders wichtige Erkenntnisse
Ein neues Angebot braucht Zeit und viele Infos, damit es bekannt wird. Außerdem muss man auf Veränderungen, wie beispielsweise die Corona-Pandemie – schnell reagieren können. Im Projekt wurde diesbezüglich zum Beispiel Videoberatung angeboten.
Handlungsempfehlungen aus dem Projekt
Hilfreich sind Angebote, die einfach zugänglich sind, gut zu den Betroffenen passen und unabhängig sind. Eine feste Ansprechperson (Fallmanager) sollte den Betroffenen zudem durch den ganzen Prozess der Rückkehr in den Beruf unterstützen.
Weiterer Forschungsbedarf
Künftig ist es wichtig, herauszufinden, wie auch Menschen mit anderen Berufen oder Bildungswegen besser erreicht werden können. Außerdem wäre ein digitales Konzept wichtig, zum Beispiel für Online-Beratung in ländlichen Regionen.