Projektart: Gefördertes Projekt Studie
Beschreibung / Inhalte
Die Neuregelung des Erwerbsminderungsrentenrechts zum 1. Januar 2001 und in der Folge die Niveauabsenkung der Erwerbsminderungsrenten haben zu einer öffentlichen Diskussion darüber geführt, ob die Absicherung des Invaliditätsrisikos durch die gesetzliche Rentenversicherung noch gewährleistet ist. Fundierte Aussagen auf Basis verlässlicher empirischer Daten zu dieser Frage fehlten bisher. Die Deutsche Rentenversicherung Bund initiierte deshalb eine Studie zur "Sozioökonomischen Situation von Personen mit Erwerbsminderung" in Deutschland.
Eine zusätzliche Bedeutung erhält das Projekt durch die aktuelle Diskussion über die Verhinderung von Altersarmut im Zuge des "Regierungsdialogs Rente" (Mehr Information zum Thema: "Rische zum Regierungsdialog Rente")
Finanziert wird das Projekt vom Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA).
Ziele
Das zentrale Ziel der Studie ist es, einen differenzierten Überblick über die Einkommens- und Vermögenssituation von Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern im Haushaltskontext zu gewinnen. Es sollen nicht nur mögliche finanzielle Sicherungslücken aufgedeckt, sondern auch die Auswirkungen der Berentung auf die Teilhabe an gesellschaftlich als selbstverständlich angesehenen Gütern (z. B. Auto) oder Aktivitäten (z. B. gelegentliche Kinobesuche) beschrieben werden.
Darüber hinaus werden die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen vor der Berentung sowie Gründe für eine eventuelle Nichtinanspruchnahme untersucht. Nach dem Grundsatz "Reha vor Rente" soll eine vorzeitige Berentung durch Rehabilitation vermieden oder hinausgezögert werden.
Umsetzung und Datenschutz
Für die Beantwortung jener Fragen werden verlässliche Primärdaten benötigt. Sie wurden im Rahmen einer schriftlichen Befragung von Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern erhoben. Zunächst diente eine Pilotstudie der Erprobung des Erhebungsverfahrens. Im Jahr 2011 konnte dann die Hauptstudie folgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wurde dabei, wie schon bei der Pilotstudie, von allen Rentenversicherungsträgern und dem Sozialforschungsinstitut TNS Emnid unterstützt.
Anfang des Jahres 2011 wurden ca. 10 000 zufällig ausgewählte Personen, die zu diesem Zeitpunkt seit 2008 eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung der Deutschen Rentenversicherung bezogen, angeschrieben und gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Die Teilnahme war freiwillig. Die ausgefüllten Fragebogen wurden an TNS Emnid gesandt, wo die Dateneingabe erfolgte. Die anonymisierten Daten wurden anschließend zur weiteren Bearbeitung an Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter der DRV Bund übergeben.
Auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen wurde zu jedem Zeitpunkt genau geachtet und das Datenschutzkonzept im Vorfeld der Befragung mit den Datenschutzbeauftragten der Rentenversicherungsträger abgestimmt.
Ergebnisse zur materiellen Lage der Erwerbsminderungsrentner(innen):
Die erhobenen Daten wurden mit Routinedaten der Rentenversicherung verknüpft. Die bisher durchgeführten Auswertungen lieferten unter anderem folgende Ergebnisse:
a) Die Befragten beziehen im Durchschnitt eine Erwerbsminderungsrente von monatlich 661 Euro. In Einpersonenhaushalten ist sie die Haupteinkommensquelle, in Mehrpersonenhaushalten ist ihre Bedeutung für das Haushaltseinkommen geringer.
b) Weitere wichtige Einkommensquellen der Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner sind zum einen betriebliche Renten, die von 17 Prozent der Befragten bezogen werden. Zum anderen sind Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, Selbständigkeit oder Nebentätigkeit relevant, die insgesamt 13 Prozent erhalten. Andere Einkommensquellen wurden nur von wenigen Befragten genannt.
c) Über die eigenen Einkünfte hinaus können knapp 60 Prozent der befragten Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner auf Einkünfte anderer Haushaltsmitglieder zurückgreifen.
d) Gut ein Viertel der Haushalte von Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern muss staatliche Leistungen (Wohngeld, ALG II/Sozialgeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe) in Anspruch nehmen, weil die eigenen Einkünfte nicht ausreichen, um das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern.
e) Von allen Personen, die in den Haushalten von Erwerbsminderungsrentner(innen) leben, sind 37 Prozent armutsgefährdet – das heißt, ihre bedarfsgewichteten Nettoeinkünfte liegen unter einem Schwellenwert von 60 Prozent des mittleren (Median) bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommens in der Bevölkerung. Im Vergleich dazu sind in der deutschen Bevölkerung, nach Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 2010, nur 14 Prozent armutsgefährdet. Ein überdurchschnittliches Armutsrisiko besteht, wenn Erwerbsminderungsrentner(innen) allein leben bzw. die einzigen Einkommensbezieher(innen) im Haushalt oder männlich sind. Ebenfalls besonders armutsgefährdet sind Personen in Haushalten von Erwerbsminderungsrentner(inne)n ohne deutsche Staatsbürgerschaft sowie ohne Schul- oder Berufsabschluss und Personen mit Wohnsitz in den neuen Bundesländern und Berlin.
f) Bei 18 Prozent der Personen in den Haushalten von Erwerbsminderungsrentner(innen) liegt bekämpfte Armut vor. Das bedeutet, sie sind auf staatliche Mindestsicherungsleistungen (ALG II/Sozialgeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe) angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. In der Bevölkerung traf das lediglich auf 9 Prozent zu. Auch von bekämpfter Armut sind bestimmte Personengruppen häufiger betroffen: Alleinlebende, Personen in Haushalten von Männern mit Erwerbsminderung, ohne deutsche Staatsbürgerschaft, ohne Schul- oder ohne Berufsabschluss.
Projektbeschreibung von Projektverantwortlichen übernommen.
Beginn:
01.01.2010
Abschluss:
30.09.2013
Kostenträger:
- Forschungsnetzwerk Alterssicherung
ICF-Bezug des Projekts:
- Das Projekt hat keinen ausdrücklichen ICF-Bezug.
Projektleitung:
- Buschmann-Steinhage, Rolf, Dr. rer. nat. (im Ruhestand) |
- Zollmann, Pia
Mitarbeitende:
- Märtin, Stefanie
Institutionen:
Deutsche Rentenversicherung Bund
Bereich Reha-Wissenschaften / 0420 / R4003
10704 Berlin
Homepage:
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Bund/DE...
Märtin, S.; Zollmann, P.: Keine Reha vor der Rente? Ergebnisse des Projekts Sozioökonomische Situation von Personen mit Erwerbsminderung. In: Deutsche Rentenverischerung Bund (Hg.): Teilhabe 2.0 - Reha neu denken?, Berlin 2013, S. 109-111.
Socio-economic situation of persons with reduced earning capacity
If in Germany people with reduced earning capacity cannot return to work following rehabilitation or other disability management measures they can apply for disability pension benefits. This pension is supposed to compensate for the financial consequences of invalidity allowing the persons concerned to largely maintain their standard of living. In Germany, today 1.59 million people receive such a pension. Of those, 183,000 commenced in 2010, this equals 21.3% of all new pensions.
However, it remains unclear how good the material and social protection by disability pension benefits really is. Therefore, the German Pension Insurance initiated a research project linking routine data with a survey of people receiving such pensions with regard to their socioeconomic situation.
Methodology
Out of the insured, that started receiving disability pension benefits in 2008, in 2011 a sample of about 10,000 persons was selected randomly and asked to participate in a questionnaire-based survey. The return was about 45% and representative for the target population. To determine the risk of poverty OECD’s Laeken indicators were used. The household net income weighted according to need was determined using the OECD modified scale. The results were compared to the Socio-Economic Panel (SOEP), a household based survey representative for Germany.
Results
The average monthly pension was 661 Euros. For the majority this was their only source of income. Only a very small percentage received income from work or another source. However, in about 60% of the households there were other persons with income. Looking at the total household incomes, the pension in multiple person households accounted for 35% in women and 45% in men. In single pension recipients the percentages were higher – 67% for women and 70% for men.
In addition to the income mentioned, about a fifth of the households surveyed received state aided transfer funds in order to increase the household income to the level of the “Grundsicherung”, the German basic financial security. This held true for 28% of single-person households and 15% of multiple person households. The at-risk-of-poverty rate (i.e. less than 60% of the median of the net household income of the entire population, weighted according to need) was 37% in the pensioners surveyed, which is substantially higher than for the entire German population (14%).
Discussion
The recipients of disability pension benefits themselves only rarely have other sources of income – usually due to their reduced earning capacity and lack of employment possibilities. Accordingly, they have to rely on the income of other household members or – mainly for single persons – on state aided transfer funds. Despite these possibilities the at-risk-of-poverty rate for this group of people is very high.
Schlagworte:
Referenznummer:
R/FO125161
Informationsstand: 05.02.2020