Gesetzeskenntnis bei Studierenden mit Hörbehinderung: Ergebnisse aus dem Projekt GINKO
Poster auf dem Zweiundzwanzigsten Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium vom 4. bis 6. März 2013 Mainz
Hintergrund:
Die Gesetzeslage für Menschen mit Behinderungen hat sich aufgrund verschiedener Änderungen und vor allem durch die Ratifizierung der
UN-Behindertenrechtskonvention in den letzten Jahren verändert (Welti, 2002). Diese Gesetze, insbesondere die
UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrer Verankerung des Rechts auf einen chancengleichen und barrierefreien Zugang zu Bildung für Menschen mit Behinderungen, und deren Umsetzung sind gerade auch für Studierende mit einer Beeinträchtigung von zentraler Bedeutung (Kalina
et al., 2011; Schindler, 2011).
Fragestellung:
Im Rahmen des Projektes GINKO (Gesetzeswirkungen bei der beruflichen Integration schwerhöriger, ertaubter und gehörloser Menschen durch Kommunikation und Organisation) (Weber
et al., 2012) wurde den Fragen nachgegangen, inwieweit die gesetzlichen Grundlagen bei hörbehinderten Studierenden bekannt sind, ob die Gesetze auch umgesetzt werden und welche Faktoren einen Einfluss auf die Gesetzeskenntnis
bzw. Umsetzung haben.
Methodik:
Im Rahmen des Projektes erfolgte eine Fragebogenerhebung zur Untersuchung der Gesetzeswirkung und Gesetzeskenntnis hörbehinderter Menschen. Als Erhebungsinstrument diente ein gemeinsam mit Betroffenenverbänden entwickelter standardisierter Fragebogen. Dieser wurde an Mitglieder der beteiligten Verbände verschickt, ebenso war die Befragung online mit Gebärdensprachfilmen zugänglich.
Ergebnisse:
An der Umfrage beteiligten sich 4.825 Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung, davon 166 Studierende. Die Analysen zeigten, dass bei der Mehrheit der Studierenden das
SGB IX (65,7 %) bekannt ist. Deutlich weniger Studierende geben mit 33,7 % an, die
UN-Behindertenrechtskonvention zu kennen. Die bivariaten Analysen ergaben einen sehr geringen bis geringen fördernden Einfluss der Kontextfaktoren „Informationen durch Dritte“ und „Mitgliedschaft in einem Verband mit Bezug zur Hörschädigung“ auf die Kenntnis der jeweiligen Gesetze, die Effektstärke ist als klein bis mittel zu bezeichnen. Ferner zeigte sich, dass die Kenntnis eines Gesetzes nicht mit der Umsetzung gleichgesetzt werden kann. So geben von den 83,7 %, die die Möglichkeit auf eine Verlängerung der Prüfungszeit kennen, nur 56,8 % an, dieses Recht tatsächlich auch in Anspruch zu nehmen. Dabei hat die Bereitschaft, für seine Rechte einzustehen, einen positiven Einfluss auf die Inanspruchnahme.
Diskussion und Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse der Auswertung der Gruppe der hörbeeinträchtigten Studierenden weisen einerseits daraufhin, dass viele hörbehinderte Studierende über für sie wichtige Gesetze nicht informiert sind. Hieraus ergibt sich für die Zukunft die Forderung nach einer verstärkten und zielgruppenspezifisch angepassten, zum Beispiel auch durch Gebärdensprachfilme angebotenen, Information über die rechtlichen Möglichkeiten. Anderseits gilt es aber auch an den Hochschulen Studienbedingungen zu schaffen, in denen die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten für Studierende mit Beeinträchtigung tatsächlich genutzt und umgesetzt werden und so den Studierenden eine chancengleiche Teilhabe an Hochschulbildung eröffnet wird (
vgl. zum Beispiel Projekt GESTU an der Universität Wien (GESTU, 2012).